Surfen in Gouvia mit Topspeed

Surfen und Verdrängen (2/2)

Was ist Surfen und Verdrängen?

Surfen (oder Gleitfahrt) und Verdrängen (Verdrängerfahrt) sind unterschiedlich Fahr-Arten bei Wasserfahrzeugen. Sie werden durch verschiedene Größen auf Wasserfahrzeugen bestimmt.

Verdrängen:

Verdränger-Fahrt ist das was man üblicherweise auf einer Segelyacht erlebt. Dort schwimmt die Yacht durch das Wasser, sie verdrängt das Wasser durch das Volumen des Bootskörpers. Diese Kraft nennt man Auftrieb. “Auftrieb” ist gleich der “Verdrängung” ist gleich dem “Gewicht” der Yacht*. Und die Erfindung dieses Prinzips stammt aus dem antiken Griechenland und geht auf Archimedes zurück. Das Archimedische Prinzip!  Ja, die Story mit der Krone und der Badewanne und “Heureka!”. Je schwerer die Yacht inkl. aller Ausrüstung und Proviant, desto tiefer taucht die Yacht in das Wasser ein und desto schwieriger wird sie surfen. Eine Yacht wiegt je nach Größe mehrere Tonnen, während beim Surfen mit einem Surfbrett das mit Abstand schwerste die Person selbst ist.

Surfen:

Beim Surfen (man spricht auch von Gleiten oder Gleit-Fahrt) wird das Surfbrett durch die Bewegung durch das Wasser angehoben. Das wird ermöglicht durch die Form der Unterseite des Surfbretts. Am Bug ist die Unterseite nach oben gebogen und zum Heck hin wird es immer flacher. Man spricht vom hydrodynamischen Auftrieb.

Surfen in Gouvia zunächst in Verdränger-Fahrt und dann in immer schnellerer Gleitfahrt
Surfen in Gouvia zunächst in Verdränger-Fahrt und dann in immer schnellerer Gleitfahrt. Die Farbe des Tracks zeigt die Geschwindigkeit in km/h an, rechts die Skala.

Im Video oben sieht man deutlich, wie ich zunächst in Verdränger-Fahrt starte, das Brett taucht so wie auch im Bild oben tief ein und mit zunehmender Geschwindigkeit hebt es sich immer mehr aus dem Wasser und man wird immer schneller. Dann kann man das Gewicht langsam nach hinten verlagern, die Füße in die Schlaufen schieben und auch das Segel mehr nach hinten schieben. Dann gleitet das Surfbrett nur noch auf dem hinteren und glatten Teil des Unterwasserschiffs. Wiederum wird der Wiederstand geringer und die Geschwindigkeit noch höher. Zusätzlich lehnt man sich nach hinten neigt das Segel zur Luvseite (Seite woher der Wind kommt).

Und jetzt gibt es noch zwei weitere Effekte, der die Gewichtskraft des Surfers auf das Surfbrett noch weiter mindern: Durch das nach Luv geneigte Segel, hängt der Surfer sein Gewicht in das Segel, was die Gewichtskraft auf das Surfbrett  verringert. Zusätzlich entsteht durch das mehr in der Waagerechten stehende Segel aerodynamischer Auftrieb durch das Segel selbst, ähnlich wie beim Flugzeugflügel. Auch das nach oben gebogene Brett wirkt jetzt zusätzlich aerodynamisch. Man hebt immer mehr ab. Und mit einer Geschwindigkeit von 21,2 Knoten oder 39,26 km/h fühlt man sich schon ein wenig wie “fliegen”.

Auch Segelboote und sogar Yachten können surfen

Grundvoraussetzung für das Surfen ist ein flaches Unterwasserschiff vor allem in der Heckpartie. Die meisten offenen Segelboote ohne Kiel (auch Jollen genannt) haben ein flaches Unterwasserschiff, ähnlich wie bei einem Surfbrett. Ist das gegeben, können Jollen bei stärkerem Wind und somit höherer Geschwindigkeit durch den hydrodynamischen Auftrieb surfen. Sie müssen dabei aber Ihr Gewicht aus dem Wasser heben.

Verhältnis aus Verdrängung und der Segelfläche = Segeltragzahl

Es stellt sich natürlich die Frage wie viel Kraft durch Segelfläche wird benötigt, um das Gewicht / die Verdrängung der Yacht auszugleichen und zu Surfen.

Der Surfer hat bei 8,4 qm Segelfräche nur knapp 100 kg für die Person, Brett und Rigg. Die Segeljolle Ixylon, mit Phil und mir zusammen wiegen etwa 350 kg und die Jolle hat 13 qm Segelfläche. Trotz deutlich mehr Wind  (5-6 Bft.) und ungleich härteren Bedingungen als oben beim Surfen kommen wir über 11,5 Knoten nicht hinaus. Das kommt auch, weil das Rigg sich nach Lee neigt und somit keinen Auftrieb sondern Abtrieb erzeugt.


Die meisten Fahrtenyachten im Chartermarkt  sind so schwer, sie werden eher nicht gleiten, sondern ausschließlich in Verdrängerfahrt vorwärts kommen. Eine Ausnahme ist die kleine “Romantika”! Die Romantika hat relativ wenig Verdrängung. Wie hier beim Karnevalstörn  kommt die mit 4,5 Tonnen-Yacht mit 58 qm Segelfläche gut aus dem Wasser und erreicht eine Geschwindigkeit im Surf von immerhin bis zu 10,7 Knoten. Dazu muss man sich aber nicht nur vom Wind, sondern wie im Video in dem Beitrag zu sehen, auch von Wellen von mindestens 2 Metern Höhe anschieben lassen. Die Vergleichszahl aus Verdrängung und Segelfläche ist die Segeltragzahl. Sie ist bestimmt durch das Verhältnis zwischen Quadratwurzel der Segelfläche geteilt durch Kubikwurzel der Verdrängung. Typische Segelyachten zur Charter haben eine Segeltragzahl zwischen 4 und 5.

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Wasserfahrzeug Surfer Jolle Segelyacht
Verdrängung in kg (inkl. Segler) 100 350 4500
Segelfläche in qm 8,4 13 58
Segeltragzahl (inkl. Segler)  6,25 5,12 4,61
Segeltragzahl (exkl. Segler) 11,75 6,5  4,66
LWL in m 2,51 4,7 9,25
Rumpfgeschwindigkeit in kn 3,85 5,27 7,39
Topspeed in kn (bisher) 21,4 11,5 10,7

Rumpfgeschwindigkeit und die Länge der Wasserlinie

Und jetzt wird es richtig spannend beim Surfen und Verdrängen: Die Geschwindigkeit, bei der bei einem der Wasserfahrzeuge, egal ob Surfbrett, Jolle oder Yacht das man von der Verdränger-Fahrt zum Surfen übergeht, ist durch ihre Länge bestimmt. Genauer gesagt durch die Länge an der Wasser-Linie (kurz LWL). Durch die Formel: (Wurzel aus LWL * 2,43) Knoten kann man die Rumpfgeschwindigkeit ermitteln. Mein Surfbrett ist 2,51 Meter lang und ähnlich lang ist die Wasserlinie (LWL). Fährt es vorwärts entsteht eine Bugwelle und je schneller man wird, wird diese länger und bei 3,85 Knoten ist die Bugwelle länger als die Wasserlinie und die Welle “reißt ab”, was man deutlich an den Spritzern erkennt. Der Surfer kann relativ leicht durch Abfallen, Gewichtsverlagerung und Pumpen die Bugwelle und damit die Rumpfgeschwindigkeit überwinden. Ist beim Surfbrett die Rumpfgeschwindigkeit erreicht und beschleunigt es rasant auf bis 21,2 Knoten, dem 5,5-fachen der Rumpf-Geschwindigkeit. Bei Jollen ist das schwieriger, bei Yachten braucht man große Wellen. Die Jolle Ixylon hat eine LWL von 4,7 Metern und damit eine Rumpfgeschwindigkeit von 5,27 Knoten. Bei 11,5 Knoten wie im Video ist die Rumpfgeschwindigkeit um das Doppelte überschritten. Bei der Yacht “Romantika” liegt die Wasserlinielänge bei 9,25 Metern und die Yacht erreicht bei 7,39 Knoten ihre Rumpfgeschwindigkeit, welche wir beim Karnevalstörn immerhin um das 1,5-fache überschritten haben. Je größer Yachten werden und je länger die Wasserlinie ist desto schwerer wird es, die Bugwelle zu überwinden und zu surfen. Fahrtenyachten sind eigentlich nicht fürs Surfen gebaut, doch bei so Surf- und Segelverrückten Speedjunkies wie mir, kann das mit ausgewählten und gut trainierten Mitseglern schon mal passsieren. 😉

Verdrängung durch`s Surfen

Zurück zu meinem Surftag in der Bucht von Gouvia: Natürlich muss man sich beim Surfen mit einer Geschwindigkeit von über 20 Knoten voll konzentrieren, aber gar nicht gewußt, sondern völlig unbewußt und intuitiv. Die Intuition steuert wie von selbst den Körper. Man kann perfekt abschalten und beim surfen verdrängen und dem Großhirn mal eine Pause gönnen, während das Kleinhirn auf Höchstleistung ist und im Milli-Sekunden-Takt den wilden Flug übers Wasser steuert. Also ist ist Surfen doch Verdrängung! 😉

Aber nie Verdrängen des Surfens

Aber die Kunst des Surfens verlernt man dank Intiution nicht! Vor etwa 15 Jahren habe ich mein Surf-Material verkauft und aufgehört intensiv und regelmäßig zu surfen und mich wieder mehr dem Segeln zugewendet, was ich als Kind schon gelernt habe. Die Surf-Freuden dazwischendurch und Tage mit dem magischen Fliegen über das Wasser kann ich an einer Hand abzählen (wie z. B. hier in der Schlabu beim Sturmtief Herwart). Aber die einmal erlernten Bewegungsabläufe bleiben erhalten, auch wenn ich gestern noch nicht ganz wieder auf dem Level war. Man kann das Surfen einfach nicht verdrängen: Denn es ist so wunderschön!

Hier zum Teil 1 des Artikels zu meinem Surftag mit dem Titel: “Surfen in Gouvia” der den Surfspot Gouvia etwas näher beschreibt. Viel Spaß beim Lesen!

*wenn man kleinere Störgrößen wie Luftdruck und Salzgehalt und damit Dichte des Wassers vernachlässigt

3 Kommentare zu „Surfen und Verdrängen (2/2)“

  1. Pingback: Surfen in Gouvia (1/2) – Korfu Segeln: Individueller Segel-Urlaub in Korfu

  2. Pingback: Was ist verdrängerfahrt? - Solumodde

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